Bei der Swatch Group, einem der größten Uhrenhersteller der Welt mit Marken wie Omega, Longines und der namensgebenden Swatch, kommt es in diesen Wochen zu einem bemerkenswerten Kräftemessen. Im Zentrum steht die Frage: Wer bestimmt über die Zukunft des Unternehmens – die Besitzerfamilie Hayek oder auch externe Aktionäre mit neuen Ideen?
Der amerikanische Investor Steven Wood, Geschäftsführer von Greenwood Investors, möchte in den Verwaltungsrat der Swatch Group gewählt werden. Obwohl er lediglich 0,5 Prozent der Aktien hält, hat er sich mit Nachdruck für eine separate Wahl eines Vertreters der Inhaberaktionäre stark gemacht. Seine Argumentation: Das Unternehmen schöpfe sein Potenzial nicht aus und brauche strategische Impulse von außen, um sich im globalen Wettbewerb zu behaupten.
Widerstand aus dem Herzen der Schweiz
Die Familie Hayek, die das Unternehmen seit Jahrzehnten prägt und über fast 43 Prozent der Stimmrechte verfügt, lehnt Woods Kandidatur kategorisch ab. Die offizielle Begründung: Wood habe keine enge Verbindung zur Schweiz. In der Einladung zur Generalversammlung am 21. Mai wird betont, dass mit Jean-Pierre Roth bereits ein Vertreter der Inhaberaktionäre im Gremium sitzt. Zudem bringe Wood ein Reputationsrisiko mit – unter anderem durch seine Tätigkeit im Verwaltungsrat des italienischen Rüstungskonzerns Leonardo.
Doch hinter dieser Ablehnung steckt mehr. Die Swatch Group ist nicht irgendein börsennotierter Konzern, sondern ein Symbol schweizerischer Identität. Die Familie Hayek, mit Nicolas Hayek jr. als Konzernchef und Nayla Hayek als Verwaltungsratspräsidentin, steht für ein wirtschaftliches Erfolgsmodell, das Kontrolle, langfristiges Denken und Unabhängigkeit von internationalen Finanzmärkten kombiniert.
Wahl oder Bestätigung? Ein Systemfrage
In der Schweiz ist es üblich, dass Verwaltungsratsmitglieder an der Generalversammlung bestätigt werden – doch de facto bestimmt bei Familienunternehmen wie Swatch die dominante Aktionärsgruppe, wer überhaupt kandidieren darf. Die «Wahl» ist oft eine Formalität. Woods Wunsch, zusätzlich in den Verwaltungsrat aufgenommen zu werden, wird von der Familie als Einbruch in die gewachsene Machtstruktur gesehen.
Woods Versuch ist daher weniger eine bloße Personalie als vielmehr ein Test: Wie offen ist die Schweiz – und insbesondere ein ikonisches Familienunternehmen – gegenüber globaler Mitbestimmung?
Was will Steven Wood?
Woods Ansatz ist betont konstruktivistisch. Er betont, kein aktivistischer Aktionär zu sein. Im Gegenteil: Er wolle mit der Familie zusammenarbeiten, um das Potenzial der Swatch Group besser auszuschöpfen. Dabei kritisiert er vor allem die strategische Ausrichtung und die fehlende Marktkommunikation. Besonders die Luxusmarken Breguet, Omega und der Juwelier Harry Winston seien unter Wert positioniert. Seine Vision: Exklusivere Kundenansprache, stärkere Kundenbindung und ein modernes Kauferlebnis – insbesondere für jüngere Zielgruppen wie die Generation Z.
Aussichten für die Swatch Group
Faktisch hat Wood kaum eine Chance auf eine Wahl. Doch seine Kandidatur wirft wichtige Fragen auf: Ist die Swatch Group bereit, sich für neue Sichtweisen zu öffnen? Oder bleibt sie ein Bollwerk traditioneller Unternehmensführung?
Die Herausforderungen sind real: Der globale Uhrenmarkt ist im Umbruch. Luxusmarken erleben eine Renaissance, aber der Wettbewerb ist intensiver denn je. Marken wie Rolex oder neue digitale Player setzen Maßstäbe. Gleichzeitig ist Swatch weiterhin stark in der Schweiz verwurzelt – sowohl kulturell als auch strukturell.
Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die Swatch Group ihr internationales Potenzial entfalten kann – mit oder ohne externe Impulse. Die Debatte um Steven Wood hat bereits jetzt deutlich gemacht, dass viele Investoren eine Öffnung begrüßen würden. Doch solange die Familie Hayek das Zepter fest in der Hand hält, bleibt die Zukunft des Unternehmens eng mit ihrem Willen zur Veränderung verknüpft.
Fazit
Die Verwaltungsratswahl bei Swatch ist weit mehr als ein Personalentscheid – sie ist ein symbolischer Konflikt über Einfluss, Unternehmenskultur und internationale Perspektiven. Dass sich ein US-Investor gegen die mächtige Hayek-Familie stellt, zeigt, wie viel auf dem Spiel steht. Am Ende geht es um die Frage, wie viel Schweiz in einem global agierenden Konzern heute noch Platz haben soll – und wie viel Welt in die Schweiz hineinpasst.