Die Jungfrau Viktoria ist das wohlbekannteste Hotel in Interlaken. Ich möchte mich mit Franz treffen, soll erstmals in seine Wohnung kommen. Die Behörden machen ihm zu schaffen.
Im Zug reflektiere ich kurz darüber, wo wohl ein besserer Treffpunkt sein könnte. Gleich kommt mir das Hotel Jungfrau Viktoria in den Sinn. Zwischen Interlaken Ost und Interlaken West liegt es ziemlich mittig, mit 10 Minuten Fussweg vom Bahnhof aus.
Schicke ich ihm jetzt eine SMS, und er würde den nächsten Zug nehmen, könnten wir uns dort um 12:15 Uhr treffen. Doch wie helfe ich ihm? Er bezieht Sozialhilfe und bräuchte dringend eine Stelle. Er kann klar und überzeugend formulieren, ist freundlich und bestimmt noch mehr als das, aber durch seine Armut verunsichert.
Kann ich die Personalabteilung dazu bewegen, kurz mit ihm zu sprechen? Gerade jene, die mit Bewerbungen überschwemmt werden? Fast jeder möchte doch in einem solchen Hotel arbeiten, das dazu noch eine prima Referenz hergeben würde.
Das Einstellungspersonal ist im Haus, das habe ich vorher geprüft. Ich möchte es versuchen. Auf dem Weg von Interlaken West zum Hotel habe ich die Zeit wunderbar im Griff. Punkt 12 Uhr bin ich dort und versuche mit der Personalabteilung auch über meine Anliegen zu sprechen. Meine Ideen, ein Bienenhotel thematisch zu integrieren, oder dass jemand den Gästen vorliest, oder eben mit einem kleinen Job mit Franz, stossen auf keinerlei Interesse.
Ich begreife die Unzufriedenheit einfacher Leute durch elitäres Verhalten, also ist es wahrscheinlich kein Job für Franz. Auf der anderen Seite gehören immer zwei dazu; mit einem lockeren Lächeln auf den eigenen Lippen erfreut sich fast jedes Gegenüber, ob nun sogenannt «elitär» oder «einfach».
Ich sollte nächstes Mal auf meine innere Haltung achten, um durchwegs entspannt und lächelnd aufzutreten. Womöglich würde sich das Hotel mit noch mehr neuen Ideen und Angeboten auch überladen. An Gästen fehlt es der Jungfrau Viktoria ebenso nicht. Deshalb kann ich dieses Desinteresse auch irgendwie verstehen. Da würde am Ende auch kein Lächeln helfen, aber immerhin ein Gespräch aufwerten.
Franz ist energielos, die vielen Absagen machen ihm zu schaffen, als ich ihn vor dem Hotel treffe. Er möchte, dass ich etwas für ihn schreibe. Doch sollte er auch selbst etwas an seiner Situation ändern, was er nicht möchte. Er bleibt draussen stehen, als ich schliesslich im «Patek Philippe» eine kurze Diskussion über die Frage beginne, wie man mehr Amerikaner nach Interlaken heranziehen könnte. Überdies fehlt es ihm mittlerweile an Zeit, also geht`s zurück in seine Wohnung, um dort weiterhin Sanktionen zu ertragen.